Jahresthema 2023

Jahresthema 2023: „Eine Welt auf Augenhöhe – Strukturelle Ungerechtigkeiten überwinden“

In der UN-Generalversammlung hat jeder Staat eine Stimme. Dies steht für eine gleichberechtigte Zusammenarbeit und Lösung von weltweiten Problemen.

Ein Blick in die Realität zeigt allerdings, dass dieser Gleichheitsanspruch alles andere als erfüllt ist: Die Folgen des Klimawandels treffen die Menschen am stärksten, die ihn am wenigsten verursacht haben. In Deutschland werden Viert-Impfungen gegen Corona ausgegeben, während in afrikanischen Staaten viele Menschen noch keine erste Impfung erhalten haben. Und europäische Bürger*innen können nach Katar fliegen, um die Fußballweltmeisterschaft – ermöglicht durch die Ausbeutung unzähliger Gastarbeiter*innen – zu schauen, während weiterhin hunderte Menschen auf der Flucht nach Europa im Mittelmeer sterben.

Auch wenn die UN die „Gleichheit aller Staaten“ in ihrem Gründungsdokument als Ziel gefasst haben, gibt es heute also vor allem eines: Ungerechtigkeiten und Ungleichheiten.

Wer auf internationaler Ebene viel Macht hat und wer wenig, ergibt sich aus verschiedensten Faktoren: Geld, Zugang zu Bildung, Sprachkenntnisse wie Englisch und Französisch. Diese Machtbeziehungen ergeben sich vor allem aber aus historischen Entwicklungen der letzten Jahrhunderte.

Über lange Zeit haben Staaten des Globalen Nordens, also europäische und teils amerikanische Staaten, die Staaten des Globalen Südens als Kolonialmächte ausgebeutet, ihre Ressourcen abgebaut und Abhängigkeitsverhältnisse geschaffen. Auch mit Ende der Kolonialzeit wurden diese Abhängigkeitsverhältnisse nicht beendet. Heute gibt es weltweit eine Dominanz und Ausbeutung von Staatengruppen über andere.

Dazu gehört die Verteilung von Armut und Reichtum: Der aus der Kolonialzeit stammende Reichtum macht es europäischen Staaten sehr einfach, ihren Wohlstand zu erhalten, während viele ehemals kolonialisierte Staaten zum Beispiel keine Mittel zur Gesundheitsversorgung ihrer Bevölkerung haben. Diese Zusammenhänge lassen sich auch in der Entwicklungszusammenarbeit beobachten: Staaten des Globalen Nordens geben mit ihrer Finanzierung vor, welche Prioritäten Staaten des Globalen Südens in ihrer Politik setzen sollten. Oftmals wird dabei ein bestimmtes Verständnis von Entwicklung, das sich an der industrialisierten Entwicklung europäischer Staaten orientiert, als selbstverständlich angenommen, obwohl Staaten vielleicht gar nicht diesen Weg einschlagen wollen und können. Exemplarisch zeigen sich diese neokolonialen (also neu kolonialen) Verhältnisse auch daran, wer Ressourcen wie seltene Erden abbauen darf: Meist sind es Firmen aus dem Globalen Norden, die an dem Ressourcenabbau verdienen, während Menschen aus dem Globalen Süden sich den Gefahren des Abbaus für niedrigste Löhne aussetzen müssen.

Die Ungleichheiten sind also keine Einzelfälle, sondern strukturell, also im Aufbau beispielsweise der Weltwirtschaft und der Gestaltung des UN-Systems fest verankert. Auch die Vereinten Nationen sind nicht frei davon: In manchen Institutionen dürfen Staaten gemäß ihrer Beitragszahlungen abstimmen, reichere Staaten können sich größere Delegationen und damit mehr Einfluss leisten und zum Zeitpunkt der Gründung der Organisation waren die meisten der heutigen Mitglieder noch keine Staaten und konnten somit auch die Struktur der Organisation nicht mitbestimmen.

Die Machtverteilung zwischen Staaten des Globalen Nordens und Südens sorgt weltweit für Abhängigkeitsverhältnisse und strukturelle Ungleichheiten. Diese gilt es, so schnell wie möglich aufzubrechen und zu verändern. Dazu braucht es zunächst ein Bewusstsein, dass diese Strukturen überhaupt existieren. Es müssen aber auch konkrete Maßnahmen folgen. So haben zum Beispiel in der Klimabewegung weiße europäische Personen wie Greta Thunberg, die von der Klimakrise selbst deutlich weniger betroffen sind, beschlossen, in den Hintergrund zu treten und Aktivist*innen aus dem Globalen Süden verstärkt die Stimme zu geben.

Für eine Welt auf Augenhöhe muss viel verändert werden und Menschen, Gruppen und Staaten müssen Macht teilen – dass es sich langfristig lohnen wird und deshalb dafür eine nachhaltige Gerechtigkeit einzustehen ist, ist allerdings klar.

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